„Das Schönste ist es auf der kleinen Bühne zu stehen“
Jeden Tag ein Lächeln schenken. Für Conny Jonas ist dies ihre alltägliche Mission, denn sie arbeitet als Klinikclownin im Kinderkrankenhaus Viersen und im Kölner Kinderkrankenhaus. Über einen ungewöhnlichen Beruf und seine zahlreichen Facetten. Eindrücke eines Tages mit einem Klinikclown auf Station im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße.
Es ist Donnerstagmittag. Erst einmal tief Luft holen, ehe sie vorsichtig an die Patientenzimmertür klopft und ihre rote Clownsnase durch die Tür steckt. Für Cocktelia ist der Moment, bevor sie
das Zimmer betritt, immer wieder sehr aufregend: „Jedes Zimmer ist anders. Man weiß nie genau, was einen erwartet. Vorher lasse ich mich noch von den Kinderkranken-schwestern einweisen, die mich
über den aktuellen Gesundheitszustand der Kinder informieren, worauf geachtet werden muss und mir schließlich einen Bettenplan ausdrucken.“ So beginnt ein typischer Arbeitstag von Klinikclownin
Cocktelia im Kinderkrankenhaus, die jeden Donnerstag jeweils für vier Stunden die Kinder der Intensivstation, der Stationen E1 und E2 und der Normalstation A2 aus dem Klinikalltag herausreißen
soll durch Zauberei, Musik und Tanz.
Eintauchen in die Kinderwelt
Sobald man das Patientenzimmer betritt, taucht man in die Kinderwelt ein. Große, leuchtende Augen blicken einen erwartungsvoll an und sind gespannt auf das, was vor ihnen liegt. „Man scheint direkt Freund der Kinder zu sein. Es ist direkt ein Kontakt da, es ist nicht wie bei einem Fremden.“, so Conny Jonas alias Cocktelia. Mit einem Wagen voller Plüschtiere, Zaubermaterial, roten Clownsnasen, der Handpuppe Pit, farbenfrohen Tüchern, einem glitzernden Zauberstab, einer Mundharmonika, Zauberpulver, Glücksbringer-Karten, springenden Smileys und vielen anderen kleinen bunten Überraschungen geht es an die Mission, Lebensfreude in die Zimmer der kleinen Patienten bringen.
Warten auf den Clown
Im ersten Zimmer wartet der kleine Malik (1), der aufrecht in seinem kleinen Bettchen sitzt und gerade Besuch von seinen Eltern hat. Die ersten Seifenblasen schweben um ihn herum und haben sofort sein Interesse geweckt. Ein verschmitztes Lächeln breitet sich in seinem Gesicht aus. „Und weil heute heute ist, darfst du dir was wünschen“, so Clownin Cocktelia, die noch ordentlich Zauberpulver in sein kleines Bettchen streut für eine schnelle Genesung. Als Geschenk bekommt er natürlich noch einen bemalten Luftballon mit Smiley-Gesicht und schon geht’s weiter. Zwei Zimmer weiter warten Aissela (15 Monate) und ihre Zimmernachbarin Berna (7 Monate) auf den Besuch des Klinikclowns. Die beiden sind zunächst etwas skeptisch beim Anblick des bunten Clowns, der verrückte Sachen macht, doch spätestens bei den für sie eigens gebastelten Luftballons huscht ein Lächeln über ihre Gesichter. Auch ihre Mütter haben die kleine Vorstellung genossen. So verlässt Cocktelia das Zimmer mit einem zufriedenen und glücklichen Gesichtsausdruck. Es ist dieser erste Kontakt mit wildfremden Menschen, der den Beruf des Klinikclowns so besonders macht. „Wenn ich die Kinder lachen sehe, dann bin ich total glücklich und erfüllt.“
Ein Zimmer voller Action
Im Zimmer von Yavus-Selim (3), Aiche (1) und Melek (2) ist Action angesagt. Kaum hat Cocktelia den Raum betreten, ist sie von den drei kleinen Patienten umgeben, die staunend beobachten, wie sie mit bunten Tüchern tanzt, aus Luftballons eine Biene, einen Hund und einen Schmetterling bastelt und eine ganz besondere Atmosphäre in das Patientenzimmer bringt. Für diesen Augenblick ist alles vergessen. Die drei Kinder hüpfen ausgelassen um Cocktelia herum und freuen sich sichtlich über diese spaßige Vorstellung. Es wird gezaubert und gelacht und auch mal gesungen und getanzt. Jeder der drei darf Seifenblasen auspusten und selbst welche einfangen, um sich etwas zu wünschen. Am Ende kommt der Abschied mit einem kleinen Ständchen auf der Mundharmonika und das Versprechen, bald wieder zukommen.
Von einer spannenden Reise zum Mond
Der 8-jährige Furkan und sein Freund Cinar (6) warten schon auf den Raketenflug, den Cocktelia ihnen beim letzten Mal versprochen hatte. Ganz begeistert lassen sich die beiden Jungen auf das Spiel ein und fiebern dem Raketenstart mit einem Countdown entgegen: „10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1…“ und plötzlich hört man nur noch ein lautes Getöse: die Rakete in Form eines langen, grünen Luftballons ist bis an die Decke des Patientenzimmers geflogen und saust laut pfeifend quer durch das ganze Zimmer, ehe sie schließlich leise auf den Boden sinkt. Und so schnell ist man mal auf dem Mond gelandet und wieder auf die Erde zurückgekehrt. „Bekommt ihr beiden heute denn noch Besuch?“ „Ja, wieso?“ „Dann könnt ihr gleich noch viel von unserem Mondflug erzählen“ erwidert Cocktelia lächelnd und überreicht beiden eine Schutzengelkarte, auf der eine Rakete in Form einer Spritze dargestellt ist. „Die soll euch an unseren heutigen Mondflug erinnern“ erklärt Cocktelia und verabschiedet sich mit ihrem üblichen „Ciao Kakao!“ und guten Besserungswünschen.
Eine kleine Zauberstunde
Elisa (9) und Laura (7) stehen auch noch auf dem heutigen Besuchsplan von Cocktelia. Die beiden Mütter sind mit dabei und dienen Cocktelia als tatkräftige Unterstützung, denn mit den beiden Mädchen soll gezaubert werden. Cocktelia stellt mithilfe Lauras Mutter Jenny einen Zaubertrick der besonderen Art vor. Lauras Mutter darf zunächst zwischen dem „roten und dem runden Ball“ wählen, zwei identischen Clownsnasen und entscheidet sich für den runden Ball. Cocktelia überlässt Elisa ihren schönen, lilafarbenen Zauberstab und schon geht’s los mit der magischen Vorstellung: „Jetzt müsst ihr nur noch einen Zauberspruch aufsagen.“ „Also, so was wie hex, hex oder so?“ fragen die beiden ganz begeistert. Und kaum haben sie es vollbracht, sind die zwei roten Bälle aus Cocktelias Hand an einen anderen Ort gezaubert worden. Cocktelia zeigt sich begeistert und ehrt Jenny als „die coolste Assistentin der Welt“. Gefesselt folgen die Mädchen dem Geschehen und möchten danach am liebsten den Zaubertrick erfahren, doch Cocktelia erklärt den beiden, dass man einen Zaubertrick immer nur einmal vorführen darf. Dafür bekommen die beiden am Ende aber noch einen kleinen Zaubertrick geschenkt, den sie selbst vorführen können: ein farbiges Papiersechseck, das sich verwandeln soll, sobald man es in eine Schüssel mit Wasser gibt. „Das könnt ihr dann machen, wenn ihr alleine seid. Und dann schreibt mir mal, was daraus geworden ist.“ Zum Abschied gibt es dann noch für jeden einen schönen, kleinen Stern, der beiden Mädchen ein Lächeln ins Gesicht zaubert und das Ende eines ereignisreichen Tages von Cocktelia darstellt.
Voller positiver Gefühle beendet Cocktelia, der Klinikclown aus Leidenschaft, ihren Arbeitstag. „Es ist mein absoluter Traumberuf. Wenn ich sehe, wie die Kinder lachen, könnte ich die ganze Welt umarmen.“ Neben ihrer Tätigkeit in Kinderkrankenhäusern ist Conny Jonas noch auf vielen Kinderfesten, Sommerfesten oder Pfarrfeiern aktiv, wo sie auf Bühnen für viele Kinder zaubert oder lustige Clownsvorführungen darbietet. Doch für sie ist es am schönsten „auf der kleinen Bühne zu stehen.“
Der therapeutische Ansatz: Lachen ist die beste Medizin
Klinikclowns wie Cocktelia gibt es in ganz Deutschland. Seit 1994 werden Klinikclowns in deutschen Krankenhäusern eingesetzt, um den Heilungsprozess von kleinen und großen Patienten zu fördern, ganz nach dem Motto „Lachen ist die beste Medizin.“ Der Ursprung der Klinikclowns liegt allerdings in Amerika. Patch Adams gilt als der geistige Vater der lachenden Heilsbringer und des medizinischen Humors. Für Conny Jonas war der gleichnamige Film über den Klinikclown sogar der Anlass diesen Beruf zu ergreifen. In den 1980er-Jahren trat in New York mit Michael Christensen, dem Mitbegründer des New Yorker Stadtzirkusses Big Apple Circus, zum ersten Mal ein Clown in einem Krankenhaus auf.
Inzwischen gibt es deutschlandweit schon 50 solcher Projekte und die Tendenz ist weiterhin steigend. Die Klinikclowns werden auch häufig bei älteren, demenzkranken Menschen eingesetzt. Aufgrund des überdurchschnittlich hohen Anteils der Altersbevölkerung, steigt auch die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen überproportional, hieraus resultiert ein weiteres großes Gebiet für den Einsatz von Klinikclowns in Krankenhäusern.
Klinikclowns können zwar nicht heilen, doch sie können die Patienten zum Lachen bringen, sie zeitweise von ihren Sorgen befreien und damit zu einer schnelleren Genesung beitragen. Wie sagte schon einst Groucho Marx, der als „der witzigste Mann Hollywoods“ galt: „Ein Clown wirkt wie eine Aspirin. Nur doppelt so schnell.“ Denn er gibt den Patienten etwas sehr Wertvolles: eine Portion Lebensfreude. Das Lachen hat auch eine sehr wichtige Funktion im Körper. „Lachen bewirkt im menschlichen Körper wahre Wunder. Das Immunsystem wird gestärkt, der Schmerz gelindert und Herz und Kreislauf werden gekräftigt. Während wir lachen bildet der Körper Glückbringende Endorphine.“, so Conny Jonas.
Dennoch wird die große Bedeutung der Klinikclowns häufig unterschätzt. Dabei schaffen die Clowns es, die fremde, als steril und trostlos empfundene Umgebung eines Krankenhauses für die Patienten erträglicher zu machen. Für viele Patienten führt die fremde Umgebung häufig zu Unwohlsein und Ängsten, da man aus dem gewohnten Umfeld herausgerissen wurde.
Die Klinikclowns sind auch mit vielen emotional schwierigen Situationen konfrontiert und müssen sich mit viel Feingefühl an Veränderungen des Gesundheitszustandes der Kinder anpassen. „Es kommt auch schon einmal vor, dass man gerade nicht erwünscht ist, z. B. wenn das Kind grade schläft oder die Eltern etwas dagegen haben, z. B. wenn das Kind auf der Intensivstation liegt.“ Die vorherige Absprache mit den Kinderkrankenschwestern ist daher unabdingbar, da man über wichtige Veränderungen des Gesundheitszustandes der Kinder informiert wird und dementsprechend besser vorbereitet ist. „Mir ist es auch schon mal passiert, dass eine Mutter zu mir gesagt hat ihr sei gerade nicht zum Lachen zumute, als ich vor der Tür eines Patientenzimmers auf der Intensivstation stand. Als sie mich später nochmal gesehen hat und mich nach dem Weg fragte, kamen wir dann aber nochmal ins Gespräch.“
Die Stiftung „Humor hilft Heilen“, die 2008 von Dr. Eckard von Hirschhausen gegründet wurde ist ein prominentes Beispiel für dieses Konzept und hat schon zahlreiche Projekte in ganz Deutschland initiiert und so zur Bekanntheit der medizinischen Bedeutung von Lachen beigetragen.
Und wer noch mehr erfahren will über Conny Jonas und ihr Leben als Klinikclown, besucht die Webseite: www.clown-cocktelia.de
Julia Tönnes